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DIE WELT

Roboter im Inneren der Öl-Pipelines

Das weltweite Netz der Pipelines ist mehr als drei Millionen Kilometer lang. Sie werden bei laufendem Betrieb von innen inspiziert.

Der Energiehunger der Welt ist gewaltig: Rund 3,6 Milliarden Tonnen Rohöl verbrauchen die industrialisierten Länder jedes Jahr, um wirtschaftlichen Wohlstand, Wärme und Mobilität zu sichern. Doch nur wenige der erdölhungrigen Staaten verfügen über größere eigene Erdölvorkommen.

Das meiste Öl kommt aus Sibirien, dem Mittleren Osten, aus Südamerika und Westafrika. Um die gewaltigen Mengen zu den Raffinerien zu transportieren, wo das Rohöl zu Treibstoffen und Vorprodukten für die chemische Industrie verarbeitet wird, ist ein enormer logistischer Aufwand nötig.

Tankschiffe befördern drei Fünftel des weltweit gehandelten Öls. Zwei Fünftel gehen jedoch per Pipeline auf die Reise zu den Verbrauchszentren. Mehr als drei Millionen Kilometer lang ist das weltumspannende Röhrennetz; das entspricht rund viermal der Strecke von der Erde zum Mond und zurück. Jedes Jahr wächst dieses Netzwerk um weitere 25 000 Kilometer. In Deutschland gibt es immerhin 2000 Kilometer lange Öl-Pipelines. In manchen Fällen ist der Transport von Rohöl per Pipeline einfach günstiger als die Fracht per Seeweg.

Die Abhängigkeit vom Öl und seinen Verteiladern machen das Pipelinesystem zu einem strategischen Pfand im Poker um politische Macht, wie im aktuellen Streit zwischen Russland und seinem Nachbarn Weißrussland. Durch die beiden Länder verläuft die noch aus den Zeiten des sowjetischen Staatenbundes stammende Trasse namens "Druschba", was so viel wie "Freundschaft" bedeutet.

Die über 3000 Kilometer lange Pipeline verbindet die russische Ölförderregion Tjumen in Westsibirien mit weiteren osteuropäischen Ländern und ist eine wichtige Energieschlagader, an der auch Deutschland hängt. Im politischen Streit mit dem Nachbarland hatte Russland der "Freundschaft" buchstäblich den Hahn zugedreht. Deshalb saß auch Deutschland auf dem Trockenen, das ein Drittel seiner Rohölimporte, das sind rund 32 Millionen Tonnen pro Jahr, aus Russland bezieht.

Trotz des tagelangen Ausfalls bestand kein unmittelbarer Ölmangel. Die beiden von der "Druschba"-Leitung versorgten ostdeutschen Raffinerien in Leuna und Schwedt haben größere Vorräte angelegt. Diese dienen als Puffer, denn es dauert Wochen, bis das bestellte Öl per Pipeline beim jeweiligen Abnehmer eingetroffen ist.

Rohöl ist sehr zähflüssig. Kreiselpumpen mit Leistungen von jeweils einigen 100 Kilowatt, von denen mehrere, hintereinander geschaltet, benötigt werden, bringen das von einem Tanklager an der Förderstelle eingespeiste Rohöl auf Tour. Das zentrale Lager dient als Puffer, denn mit einer Fließgeschwindigkeit von drei bis fünf Stundenkilometer ist das Öl nicht schneller als ein Fußgänger. Pumpstationen in regelmäßigen Abständen sorgen dafür, dass der Ölstrom auf seinem langen Weg, insbesondere bei Steigungen im Gebirge, nicht zum Erliegen kommt.

Je nach Verwendungszweck bestellen Raffinerien unterschiedliche Ölqualitäten und -mengen beim Lieferanten. Dieser stellt die georderten Chargen für verschiedene Kunden zusammen und schickt sie nacheinander wie bei einer Rohrpost durch die Pipeline. Es ist also keineswegs so, dass durch die Röhren kontinuierlich immer das gleiche Rohöl fließt. In der Praxis erhält eben jeder Abnehmer zum richtigen Zeitpunkt das von ihm bestellte Öl. Für den Lieferanten besteht die Kunst darin, die unterschiedlichen Chargen so zusammenzustellen, dass sie sich später eindeutig voneinander trennen lassen. Früher diente ein mit dem Rohöl versandter Trennmolch als "Schnittstelle".

Heutzutage übernimmt eine spezielle Software die Zusammenstellung der Chargen. Sie sorgt dafür, dass die Ölsorten so aneinander gekoppelt werden, dass sie sich nicht oder wenig miteinander vermischen. Ferngesteuert werden auch die Schieber, welche an den Abzweigstellen der Pipeline für die Zustellung bis zu den einzelnen Abnehmern sorgen. Auf diese Weise ist ein weitgehend nahtloser und störungsfreier Ferntransport durch das Rohrleitungssystem auch über große Distanzen hinweg möglich.

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Ständig überwachen Sensoren in der Pipeline den Druck und die Temperatur des Öls. Die Werte werden über eine Glasfaserleitung an die Betriebsleitstelle gemeldet. Ein ungewöhnlich großer Druckabfall in der Pipeline deutet in der Regel auf ein Leck hin.

Inspektionsfahrzeuge, sogenannte Rissprüfmolche, können das Innere der Pipeline im laufenden Betrieb inspizieren. Dazu sind sie mit Ultraschallsensoren ausgestattet. Um sie zu betreiben, ist das Gefährt mit Batterien ausgestattet. Für die Bewegung selber benötigt der Ölrohr-Roboter keinen eigenen Antrieb. Er wird schlicht von der Strömung des langsam dahinfließenden Öls mitgetragen. Ein Datenspeicher dokumentiert die Messergebnisse der Inspektionsfahrt, die für ein typisches, mehrere hundert Kilometer langes Pipelinestück in der Regel mehrere Tage dauert.

Eine solch umfassende Wartung ist allerdings nur im Abstand von einigen Jahren erforderlich. Häufiger durchgeführt werden routinemäßige Inspektionen per Hubschrauber. Ein Helikopter fliegt die Leitungstrasse in niedriger Höhe ab. Verfärbungen des Bodens können dabei von Kameras entdeckt werden. Solche sind ein deutliches Indiz für ein Leck in der Leitung.

Die Röhren für Ölpipelines werden aus hochwertigen Stählen gefertigt, denn sie müssen sowohl extremen Witterungsbedingungen als auch aggressiven Schwefelverbindungen im Öl auf Jahrzehnte standhalten. Bei großen Überlandprojekten haben sie Durchmesser zwischen einem halben und 1,2 Meter. "Derart großvolumige Rohre werden gewalzt und dann verschweißt", erklärt Armin Klein, Experte für Ölleitungsrohre bei der Firma Europipe in Mülheim.

Die Mannesmanntochter hat die Röhren für die 2005 fertiggestellte 1760 Kilometer lange Erdölpipeline geliefert, die von Baku am Kaspischen Meer bis nach Ceyhan in die Türkei führt. Acht Pumpstationen und 98 Sperrvorrichtungen, mit denen die Pipeline automatisch verriegelt werden kann, liegen auf der gebirgigen drei Milliarden Euro teuren Strecke.

Dafür wurden 150 000 Rohrsegmente verlegt. Sie haben einen Durchmesser von gut einem Meter. "Solche großen Pipelinerohre haben Wandstärken von einem halben bis zu drei Zentimeter. Sie müssen Öldrücken von 60 bis 70 bar standhalten. Pipelines, die durch bewohntes Gebiet führen, haben aus Sicherheitsgründen noch dickere Wandstärken", erläutert Klein. Eine reibungsmindernde Innenbeschichtung verhindert, dass Öl anhaftet und Klumpen bilden kann. Von außen schützt eine mehrere Millimeter starke Kunststoffummantelung vor Beschädigungen durch scharfkantige Steine.

Dass die Errichtung von Pipelines ein kostspieliges Unterfangen ist, liegt auch an den aufwendigen Bauarbeiten. Zu den teuersten Trassen zählt die 1977 in Betrieb gegangene Alaska-Ölpipeline. Gut acht Milliarden Dollar verschlang ihr Bau. Drei Gebirgsketten, Hunderte kleiner Flüsse und mehrere Ströme durchquert die Leitung.

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Durch das warme Öl drohte der Permafrostboden zu tauen. Deshalb wurde mehr als die Hälfte der knapp 1300 Kilometer langen Rohrleitung auf Betonstelzen errichtet. Die Pipeline ist eine der wichtigsten Energieschlagadern der USA. Sie musste im Vorjahr für kurze Zeit gesperrt werden, weil an einem Teilstück Korrosionsschäden aufgetreten waren. Eine teure Reparatur nicht nur für den Betreiber BP. Der kurzzeitige Ausfall trieb den Ölpreis auf Rekordmarken.

Um eine Korrosion der Stahlrohre zu vermeiden, werden diese bei manchen Pipelines unter eine elektrische Spannung gesetzt. Diese verhindert, dass die Metallatome im Stahl oxidiert werden können. Auch an manchen Stahlbrücken wird diese Technik eingesetzt, um ein Rosten zu verhindern.

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