Untertage-Detektive

Autor / Redakteur: Dipl.-Ing. Sabine Mühlenkamp / Dr. Jörg Kempf

Geht es darum, Flüssigkeiten und Gase über große Distanzen ökologisch verträglich und schnell von einem Ort zum anderen zu bringen, bieten moderne Rohrleitungssysteme einige Vorteile im Vergleich zu anderen Transportmitteln. Doch ihre Überwachung will gelernt sein. Ein Mix aus Software und High-Tech-Elektronik gibt Sicherheit.

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Laut Untersuchungen der Veenker Ingenieurgesellschaft kommt es beim Transport von Erdgas-, Rohöl-, Mineralöl- und chemischen Produkten auf Schienen, Straßen oder Schiffsrouten zu wesentlich mehr Störungen als bei Pipelines. In den meisten Fällen sind Rohrleitungen von weniger als 3000 Kilometern Länge auch ökonomisch unschlagbar, berücksichtigt man die gegenwärtigen Preise für den Tankertransport. Daher gelten Pipelines als eines der sichersten und zuverlässigsten Transportmittel, obwohl viele von ihnen schon mehr als 30 Jahre alt sind.

Bei aller Sicherheit – ohne Überwachung geht es auch bei Pipelines nicht. Doch angesichts der teilweise beachtlichen Längen scheint das Unterfangen schwierig. Dabei wird jede Bewegung registriert. Von der Leitwarte bestehen Verbindungen zu allen Messstationen, Schiebern und Pumpen, die Rückmeldung über den Betriebsablauf geben. Jederzeit liegen also umfassende und aktuelle Informationen über den jeweiligen Betriebszustand vor. Um jedoch vorbeugend eventuelle Schäden zu erkennen, ist die regelmäßige Bewertung unabdinglich, um einen Verlust der geförderten Medien und eine Verschmutzung der Umwelt zu verhindern.

Daher kommt der Beobachtung von Pipelines besondere Bedeutung zu. Unter dem Stichwort Pipeline Integrity Management Systeme (PIMS) werden eine Fülle unterschiedlichster Bewertungsverfahren, die den Zustand einer Pipeline erfassen, zusammengefasst. Das Planungsbüro Veenker Ingenieurgesellschaft, das als Teil der ARGE IPN Engineering gemeinsam mit den Firmen Giftge Consult und Pöyry Infra auch die Planung für die Ostseepipeline-Anschlussleitung in Brandenburg aufstellt, hat ein neuartiges PIMS entwickelt. Es ist in der Lage, sowohl den Sicherheitsstatus einer Pipeline als auch den notwendigen Handlungsbedarf exakt festzulegen. Das PIMS arbeitet mit dem Verfahren der Versagenswahrscheinlichkeit. Es wird für jeden Einfluss die Versagenswahrscheinlichkeit ermittelt und für jeden Punkt der Leitung werden diese Werte zusammengefasst.

Die Versagenswahrscheinlichkeit einer bestimmungsgemäß errichteten Leitung ohne besondere Auffälligkeiten liegt in der Größenordnung von 10-15. An einzelnen Stellen, etwa bei Korrosion, Straßenkreuzungen, Mantelrohren usw., kann dieser Wert erheblich größer werden. International ist der Grenzwert von 10-6 Schadensfällen pro Kilometer und Jahr akzeptiert. Das Verfahren erlaubt damit, präzise zu unterscheiden zwischen Handlungsbedarf und Auffälligkeiten, die zumindest akut noch keiner Behandlung bedürfen. Das Verfahren wird sowohl zur Sanierungssteuerung und Sanierungsoptimierung als auch für den generellen Integritätsnachweis des Netzes und die Ermittlung des Bedarfs an Unterhaltsmaßnahmen eingesetzt.

Schlaue Molche melden Risse

Die praktische Arbeit übernehmen Inspektionsmolche. Die selbstständig arbeitenden Roboter suchen Risse, Beschädigungen oder Korrosionsstellen direkt im Innern der Pipeline. Der Inspektionsmolch wird durch eine Molch-Falle in die Pipeline eingesetzt, sodass er mit dem jeweils vorhandenen Pipeline-Inhalt durch die Leitung tauchen kann. „Der Molch ist sicherlich der wichtigste Bestandteil eines PIMS“, sagt Helmut Stripf vom Institut für Prozessdatenverarbeitung und Elektronik des Forschungszentrums Karlsruhe der Helmholtz-Gemeinschaft. Sein Institut hat in Zusammenarbeit mit der Firma PII-Pipetronix, die zum General Electric Konzern gehört, besonders kompakte Molche entwickelt. Diese Prüfmolche sind schlaue Köpfe, so besitzen sie trotz ihrer Kompaktheit eine Rechenleistung zur Verarbeitung der erfassten Daten, die eines mittleren Rechenzentrums entspricht.

Auch der Kalibermolch von Analytic Pipe ist ein intelligentes Inspektions-System, das Durchmesseränderungen in Pipelines, wie Beulen, Ovalitäten, Schweißnähte, Wandstärkenwechsel, vermisst und T-Stücke, Schieber und andere Installationen erkennt. Der Kalibermolch misst kontinuierlich den inneren Pipelinedurchmesser mithilfe einer Anzahl von Tastarmen. Diese Spinne hält durch Federkraft ständigen Kontakt mit der Rohrwand. Eine große Anzahl von Tastarmen deckt den gesamten Innendurchmesser optimal ab. Die Rollen am Ende der Tastarme befinden sich in direktem Kontakt mit der Rohrwand. Die extrem flexiblen Polyurethanmanschetten transportieren mithilfe des Mediums den Kalibermolches durch die Pipeline. Der Kalibermolch kann Durchmesserreduzierungen von bis zu 25 Prozent passieren. Die Spinne ist von den Manschetten getrennt angebracht, um Einflüsse durch Abrieb auszuschließen. Läuft der Kalibermolch durch die Pipeline, werden alle Radialbewegungen erkannt und aufgezeichnet. Dabei werden Durchmesseränderungen ab 0,4 Prozent erkannt. Zusätzlich zu den Messdaten der Spinne werden die Streckendaten, die durch die Odometerräder generiert werden, kontinuierlich erfasst und zusammen mit den Durchmesserwerten gespeichert. Um den Kalibermolch in der Sende- und Empfangsschleuse zu lokalisieren, sowie zur Lokalisierung in der Pipeline wird ein Ortungssystem verwendet. Während des Kalibermolchlaufs werden die Daten gesammelt und elektronisch im Rekorder gespeichert.

Nach wie vor gibt es nach Erfahrungen des Schweizer Unternehmens Rosen Schwachstellen bei den In-line Inspection-Technologien für Pipelines: Während die Magnet-Streufluss-Technologie (MFL) für die genaue Messung zweidimensionaler Merkmale ungeeignet ist, werden mit Ultraschall-Inspektionstechniken (UT) geringfügige Dellenbildungen leicht übersehen. Durch eine gezielte Kombination dieser beiden Inspektionsmethoden überwindet das neue Inspektionsgerät Rocorr UT diese Nachteile und liefert laut Hersteller sehr genaue und zuverlässige Daten über Metallverlust, geometrische Eigenschaften und Wandbeschaffenheit der Pipeline. Dabei werden alle Inspektionsdaten mit einem einzigen Inspektionslauf ermittelt. Die erhöhte Zuverlässigkeit und Präzision dieses Inspektionsinstruments tragen wesentlich zur Sicherheit und Integrität von Pipelinesystemen bei. Darüber hinaus vermindert die Effizienz eines einzigen Inspektionslaufes sowohl die Betriebsgefahr als auch die Betriebskosten in hohem Maße.

Putzroboter in der Pipeline

Zudem bietet das Unternehmen nicht nur Molche für die Detektion von Auffälligkeiten, sondern entwickelte auch einen Reinigungsmolch. Nur so lässt sich die Lebensdauer einer Pipeline verlängern und die Förderleistungen aufrecht erhalten. Der Pipeline-Reinigungsmolch basiert auf den besonderen Materialeigenschaften der eigenen Polyurethan (PUR) Produkte. Roplast Easy Clean kann bereits in der Grundausstattung für die meisten Reinigungsanwendungen in Öl- und Gaspipelines eingesetzt werden. Das gilt etwa für Chargentrennung, gewöhnliches Reinigen und zum Entfernen von Flüssigkeiten. Das modulare Konzept gestattet jedoch auch weitere Einsatzmöglichkeiten wie das Entfernen von starken Verschmutzungen, von Paraffin und metallischen Verunreinigungen sowie zur Durchgängigkeitsprüfung.

Fazit: Unabhängig ob Risse, Dellen der Verunreinigungen – eine moderne Pipeline-Überwachungstechnik lässt den Betreiber nicht in der Datenflut ertrinken. Sie bietet vielmehr genaue und zuverlässige Daten und Hilfe bei der Auswertung. Damit sichern Reinigungsmolche die Förderleistung und die Lebensdauer der Pipelines.

Die Autorin ist redaktionelle Mitarbeiterin bei PROCESS.

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